wecare Facts – Das Potenzial digitaler Gesundheitstechnologien

Eine internationale Vergleichsstudie

von Luca Schmidt

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat großes Potenzial. Durch den Einsatz von digitalen Gesundheitstechnologien (z.B. Teleberatung, Überwachung von Vitalparametern und digitalen Diagnosetools) können viele Möglichkeiten erschlossen werden, die das Gesundheitssystem und damit die PatientInnenversorgung ortsunabhängig und nachhaltig verbessern [1]. WeCaRe hat den Bedarf wahrgenommen und verfolgt daher das Ziel, langfristige Lösungen für eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zu schaffen und die generationsübergreifende Akzeptanz telemedizinischer Angebote zu erhöhen.​

Digitalisierung im internationalen Vergleich[caption id="attachment_1660" align="alignright" width="400"]

Abbildung 1: Digital-Health-Index (DHI) der Länder im Vergleich. Der DHI misst den Einsatz digitaler Technologien im Gesundheitswesen. [/caption]

Eine im Jahr 2018 veröffentlichte Studie untersuchte den Einsatz und die Nutzung von Telemedizin in 17 europäischen und außereuropäischen Ländern (Abbildung 1).

Für die Studie wurde ein Instrument entwickelt, das insbesondere die Strategien, technische Readiness (Implementierung und digitaler Reifegrad) und die tatsächliche Datennutzung der Länder analysiert, um den digitalen Fortschritt der Länder zu bewerten [2].

Welche Vorteile einheitliche Regelungen und politischer Wille haben, zeigen die Spitzenreiter der Studie. Den größten Einsatz an digitalen Technologien haben die Länder Estland, Kanada, Dänemark, Israel sowie Spanien [3].

  • So gibt es in Estland seit fast 18 Jahren eine Strategie, die eine partizipative und persönliche PatientInnenversorgung verfolgt. Durch den sicheren Austausch von Gesundheitsinformationen für die gesamte Bevölkerung soll das Gesundheitssystem reformiert werden [4].
  • In Kanada gibt es einen übergeordneten strategischen Rahmenplan, den die Regierung vorgibt und aus einem Investitions-, Strategie- und Implementierungsplan besteht. Für die Gestaltung der Gesundheitsversorgung sind jedoch die einzelnen Provinzen verantwortlich [5].
  • In Israel wurden bereits seit 1995 erste Projekte zum Austausch digitaler Gesundheitsdaten entwickelt. Die Digital-Health-Strategien sind im Sinne des Innovationswettbewerbs zwar weitgehend staatlich unabhängig, aber es gibt Regierungsinitiativen zur Förderung der Digitalisierung [6].

Für das Schlusslicht der internationalen Vergleichsstudie gibt es aktuell noch Verbesserungsbedarf. In der internationalen Vergleichsstudie landet Deutschland auf Rang 16 von 17 der untersuchten Länder und ist dabei knapp hinter Frankreich (Rang 15) und noch vor Polen (Rang 17) [3].

Laut den Studienergebnissen sind digitale Health-Anwendungen in Deutschland kaum in der Regelversorgung angekommen, wobei es grundsätzlich Innovationspotential gibt. Verbesserungsbedarf herrscht aktuell noch bei der Entwicklung einer Institution, welche die Digitalisierung des Gesundheitswesens umfassend koordiniert - sowohl bei der Bereitstellung eines Budgets für nationale Digital-Health-Projekte als auch bei einer einheitlichen Regelung zur telemedizinischen Behandlung [7]. Welche Schritte dafür notwendig sein könnten, leiten die AutorInnen der Studie auf Grundlage ihrer Ergebnisse ab.

Handlungsempfehlungen

Die AutorInnen geben verschiedene Handlungsempfehlungen, wie in Deutschland Akteure in der Gesundheitsversorgung digitale Gesundheitsanwendungen bedarfsgerechter einsetzen könnten. Sie sprechen von einer schrittweisen Herangehensweise, dem Ausbau der politischen Führung und von einem nationalen Kompetenzzentrum, das für die Einbindung bestehender Institutionen, Interessengruppen, ExpertInnen und NutzerInnen sowie für die Standardisierung digitaler Anwendungen und die Definition von Schnittstellen etabliert werden sollte.

Die AutorInnen der Studie empfehlen, die Akzeptanz für den digitalen Wandel durch Kommunikation Richtung BürgerInnen, Ärzte und Ärztinnen, sowie anderen Gesundheitsberufen zu fördern. Die systematische Einbeziehung von PatientInnen und Ärzten bzw. Ärztinnen ist und bleibt notwendig, um die Akzeptanz zu steigern und die Nutzung von Anwendungen früh sichtbar zu machen [3]. Das WeCaRe-Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, eben diese (zivil-)gesellschaftlichen Zielgruppen verstärkt einzubeziehen und im gemeinsamen Zusammenwirken mit den politischen und wirtschaftlichen Partnern bedarfsgerechte Projektideen in Erprobungsregionen umzusetzen. Durch die Synergien der regionalen PartnerInnen kann die Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen mittel- und langfristig verbessert werden. Zusätzlich bieten bereits frühzeitig angelegte Vernetzungen mit Best Practice-Beispielen aus dem Ausland, wie z.B. mit innovativen PartnerInnen aus Israel, eine mögliche zukünftige Einbindung bereits erprobter Produkte in die Gesundheitsversorgung vor Ort.

Literaturverzeichnis

  1. McKinsey & Company, Digitalisierung im Gesundheitswesen - Die 42-Milliarden-Euro-Chance für Deutschland. Online verfügbar unter: https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2022/2022-05-24%2042-mrd-euro-chance/220524_mckinsey_die%2042-mrd-euro-chance.pdf (Stand: Mai 2022, Abgerufen am: 11.08.2022).
  2. BertelsmannStiftung, Teil 1: Digital-Health-Index - So funktioniert der Index. Online verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/digital-health-index (Abgerufen am: 11.08.2022).
  3. BertelsmannStiftung, Digitale Gesundheit: Deutschland hinkt hinterher. Online verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2018/november/digitale-gesundheit-deutschland-hinkt-hinterher (Stand: 29.11.2018, Abgerufen am: 11.08.2022).
  4. BertelsmannStiftung, Estland - Spitzenreiter für Digital Health. Online verfügbar unter:https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/estland (Abgerufen am: 11.08.2022).
  5. BertelsmannStiftung, Kanada - Nationale und regionale Interessen fein ausbalanciert: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/kanada (Abgerufen am: 05.09.2022).
  6. BertelsmannStiftung, Israel - Bottom-Up-Entwicklung als Innovationstreiber. Online verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/israel (Abgerufen am: 11.08.2022).
  7. BertelsmannStiftung, Deutschland - Deutschland hinkt hinterher. Online verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/deutschland (Abgerufen am: 11.08.2022).

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Sofie Lutterbeck